Gleich drei Chef-Orthopäden und Unfallchirurgen verlassen das Kantonsspital Winterthur. Sie gründen in der Privatklinik Lindberg eine eigene Praxis. Es sind nicht die ersten Abgänge in diese Richtung.
Ein Klinikleiter und zwei Chefärzte verlassen das Kantonsspital Winterthur (KSW) per Ende Juli in Richtung Privatklinik Lindberg. Dort gründen sie eine eigene Praxis und arbeiten als Belegärzte weiter. Die Abgänge kommen Knall auf Fall. Sie sind so gewichtig, dass das KSW gestern die Medien «über die Hintergründe» informieren wollte.
Der Aderlass betrifft das Departement Chirurgie und dort die Klinik für Orthopädie und Traumatologie (Unfallchirurgie). Am meisten ins Gewicht fällt der Abgang von Peter Koch. Er ist stellvertretender Leiter des Departements, Klinikchef und leitet zudem die Kniechirurgie. Mit ihm gehen Fabian Kalberer, der Chefarzt Hüftchirurgie, sowie Markus Pisan, der Leiter der Schulterchirurgie.
«Belastung zu gross»
An der Pressekonferenz informierten Spitaldirektor Rolf Zehnder, Stefan Breitenstein als Direktor des Departements Chirurgie sowie Peter Koch selber. Letzterer stellvertretend für seine zwei Kollegen.
Von allen Seiten wurde betont, man gehe nicht im Knatsch auseinander. Koch machte vor allem die hohe Arbeitsbelastung als Klinikdirektor geltend. «Der administrative Aufwand ist in den letzten Jahren immer grösser geworden.» Den Spagat zwischen den Aufgaben als Manager und Arzt zu schaffen, sei schwierig. «Die klinische Arbeit kam zu kurz.» Die neue Praxis sei aber auch als Projekt dreier «sehr guter Freunde» zu sehen, die nochmals etwas Neues hätten anpacken und bewegen wollen.
Warum der Schritt ans Lindberg? Zum einen aufgrund der Nachfrage in der Region: «Man muss dahin gehen, wo man Geld verdienen kann», sagte Gross. Ausserdem könne man im Lindberg auf wichtige Spitalinfrastruktur zurückgreifen, beispielsweise in der Radiologie.
Man sei nicht abgeworben worden. Auch der Lohn, so Koch, habe keine Rolle gespielt.
Der Braindrain in der orthopädischen Chirurgie vom KSW ans Lindberg geht damit weiter. 2014 hatte die Entlassung des stadtbekannten Chirurgen Thomas Hotz für Schlagzeilen gesorgt. Nach 24 Jahren war dieser im Streit gegangen. Hotz war wenige Wochen nach seiner Beförderung zum Chefarzt Traumatologie entlassen worden – angeblich ohne Vorwarnung. Auch er wechselte ans Lindberg und baute dort eine neue Praxis auf.
Auch bei der Gründung der neuen Rheumapraxis am Lindberg verlor das KSW vor drei Jahren Man- und Womanpower. Damals zog es die Spezialisten Enrique Sanchez und Barbara Brunner weg. In einem anonymen Brief, der an die Medien ging, schrieben angebliche Ärzte von einem «Klima des Misstrauens» am Kantonsspital.
Nicht schönreden
Und der nächste Abgang eines Spitzen-Orthopäden steht schon kurz bevor. Im Herbst soll der heutige Leiter der Fusschirurgie ans Lindberg wechseln: Martin Wiewiorski. Mit ihm sind es in den letzten Jahren acht Top-Ärzte, die das KSW an die lokale Konkurrentin verloren hat. Auch zwei langjährige Oberärztinnen verlassen das Spital gemäss der Departementsleitung offenbar bald. Sie zieht es in Richtung Schaffhausen.
Spitaldirektor Zehnder relativierte die Abgänge mit Verweis auf den Pool von rund 400 Kaderärzten am KSW: «Wir bleiben gut und breit aufgestellt.» Das medizinische Angebot müsse man aufgrund der Wechsel zu keiner Zeit einschränken. Schönreden könne und wolle er die Abgänge aber nicht. «Sie sind namhaft, ärgern mich und tun weh.»
Es geht auch um sehr viel Geld. Allein an der Klinik für Orthopädie und Traumatologie werden pro Jahr über 3000 Patienten und Patientinnen ambulant behandelt. Mit den Chirurgen Koch, Kalberer und Pisan gehen auch viele lukrative Privat- und Halbprivatversicherte ans Lindberg verloren, das in nur 300 Meter Luftdistanz liegt.