Hallux valgus – was nun?
Je schiefer eine Grosszehe steht, desto mehr Bereiche des Fusses sind daran beteiligt – und auch davon betroffen. Im Gespräch erörtert Fussspezialist Dr. med. Martin Wiewiorski, was es über den Hallux valgus zu wissen gibt.
Was gilt medizinisch als Hallux valgus?
Martin Wiewiorski: Beim Hallux valgus wandert der erste Mittelfussknochen auf die Innenseite des Fusses, die Grosszehe auf die Aussenseite. Dabei kann sich die Grosszehe so weit nach aussen schieben, dass sie die anderen Zehen unterwandert. In der Folge können sich zusätzlich Hammerzehen ausbilden. Nebst der angeborenen Form wird ein Hallux valgus weitaus häufiger im Verlauf des Alters erworben. Weitere Ursachen für den Schiefstand der Grosszehe sind Arthrose, rheumatische Verformungen oder übermässige Beugung bei Sportverletzungen.
Welche Ursachen liegen zugrunde?
Die angeborene Fehlstellung ist genetisch bedingt und meist stabil. Die erworbene Form des Hallux valgus geht auf eine Fehlstellung im Rückfuss mit einer Abflachung des Fussgewölbes zurück. Man spricht auch von einem Knick-Senk- beziehungsweise von einem Plattfuss. Ob und wie ausgeprägt die Fehlstellung ausfällt, wird wesentlich von der individuellen Veranlagung bestimmt. Das erklärt auch, warum manche Frauen ein Leben lang hohe Absätze tragen und doch nie einen Hallux valgus entwickeln. Als vorbeugende Massnahme empfiehlt sich generell, die Fussmuskulatur gut trainiert zu halten und auf ein normales Körpergewicht zu achten. Denn der erworbene Hallux valgus entwickelt sich schleichend über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg. Eine spontane Rückentwicklung ist nicht zu erwarten.
Welche konservativen Therapien stehen zur Verfügung und bei welcher Fussdeformation sind sie anwendbar?
Konservative Massnahmen sind als erste Massnahme in jedem Stadium der Fehlstellung anwendbar. Empfehlenswert sind Schuhe mit ausreichend Platz für den Vorfuss. Orthopädische Masseinlagen können zwar nicht die Zunahme der Fehlstellung bremsen, jedoch helfen sie oft, die Symptome zu reduzieren. Die Kosten für Hallux-valgus-Schienen werden zwar von der Krankenversicherung übernommen, sie haben aber keinen wissenschaftlich nachgewiesenen Effekt auf die Fehlstellung.
Wann sind operative Therapien unumgänglich und wie sehen diese aus?
Haben konservative Massnahmen versagt, wird der Fusschirurg mit der Patientin oder dem Patienten individuelle chirurgische Therapiemöglichkeiten besprechen. Leichte und mittelschwere Fehlstellungen können mit einer Umstellung am Mittelfussknochen so korrigiert werden, dass die natürliche Stellung und Mechanik des Gelenks wiederhergestellt werden. Bei schwerwiegenden Fehlstellungen oder bei begleitender Arthrose des Gelenks erfolgt die Korrektur durch eine Versteifung am Mittelfuss oder am Grosszehengrundgelenk. Häufig ist der Hallux valgus von Fehlstellungen der Zehen begleitet. Diese werden in der Regel gleich mitversorgt.
Dr. med. Martin Wiewiorski ist Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates. Seit 2015 ist er Leitender Arzt der Fusschirurgie in der Klinik für Orthopädie und Traumatologie am Kantonsspital Winterthur. Seine Spezialisierung umfasst unter anderem Hallux-valgus-Korrekturen, Prothetik des Sprunggelenks, arthroskopische Knorpeleingriffe und die Versorgung komplexer Achillessehnen-Verletzungen.