Knopfloch-Chirurgie am Fuss: Winterthurer Arzt als Pionier

Die Winterthurer schätzen das Kantonsspital, hat Martin Wie­wiorski erkannt. Er ist seit neun Monaten als Leitender Arzt für die Fusschirurgie am KSW ange­stellt. Mit ihm sind neue Techni­ken nach Winterthur gekommen: Er ist einer der wenigen in der Nordostschweiz, die die sogenannte Knopfloch­-Chirurgie am Sprunggelenk beherrschen.

Winterthur: Eine schöne Aussicht auf seine neue Heimat hat Martin Wiewior­ski nicht: Aus seinem Büro blickt man direkt an eine andere Fassade des Kan­tonsspitals Winterthur (KSW). An der Wand steht ein kleiner Tisch, belegt mit verschiedenen Fussstützen. Martin Wiewiorski nimmt einen klobigen schwarzen Schuh in die Hand und er­klärt, wie dieser verhindern soll, dass der Patient den Fuss nach der Operation bewegen kann.

Seit Mai 2015 ist Martin Wiewiorski Leitender Arzt und Leiter Fusschirurgie der Klinik für Orthopädie und Trauma­tologie am KSW. Der Neu­Winterthurer steht kurz vor seiner Habilitation, damit wird die Lehrbefähigung in einem wis­senschaftlichen Fach geprüft. Vorher ar­beitete er als Oberarzt an der Orthopädi­schen Klinik des Universitätsspitals Ba­sel. Mit ihm kamen neue Techniken nach Winterthur. «Das Kantonsspital Winterthur betreibt keine Grundlagen­forschung, ist aber sonst ein Vorreiter.»

Die Nähe der ZHAW ist ein absoluter Glücksfall.

Martin Wiewiorski, Leiter Fusschirurgie

Eine dieser Erneuerungen ist die Ar­throskopie – im Volksmund «Knopfloch­ Chirurgie» genannt. Bei dieser Operati­onstechnik wird eine Mikrokamera ins Gelenk eingeführt. Dies wird bei Knie­operationen schon länger so gehand­habt, beim Sprunggelenk ist es eher neu. Schon zuvor haben die Ärzte am KSW mit der Technik gearbeitet, damals ging es aber nur darum, das Problem zuerkennen. Martin Wiewiorski kann dieses nun direkt so beheben. Er hat die Arth­roskopie am Universitätsspital in Basel erlernt und nun ins KSW gebracht. «Es ist eine technisch schwierige Operation.» Bei einer solchen Sprunggelenk­sopera­tion braucht es zwei kleine Hautschnitte – vorher war es ein sechs bis zehn Zen­timeter langer Schnitt. Das hat ver­schiedene Vorteile: Es bleiben nur kleine Narben, die Infektionsgefahr ist geringer, und der Patient kann schneller wieder nach Hause. So können Spital, Krankenkasse, Arbeitgeber und Patient von tie­feren Kosten profitieren.

Nicht alles Neue macht Sinn

Auch wenn Martin Wiewiorski mit neu­en Techniken den Patienten besser ver­sorgen möchte, bleibt er skeptisch: «Nicht alles, was neu ist, macht auch Sinn.» Er müsse jeweils abwägen, was für den Patienten am besten sei. Seit seinem Start im KSW vor knapp neun Monaten hat er 20 arthroskopische Operationen am Sprunggelenk durchge­führt – als einer von wenigen Chirurgen in der Nordostschweiz. Viel häufiger als Knorpelverletzungen seinen Zehenfehl­ stellungen wie der Hallux Valgus (Schiefstand des Grosszehs).

Bei schweren Fällen muss sich Martin Wiewiorski auf eine neue Situation ein­ stellen. Das reizt ihn: «Ich mag die Herausforderung.» So verwundert es nicht, dass er bekannt dafür ist, schwerste Verletzungen an der Achillessehne zu versorgen. Das kann beispielsweise sein, wenn jemand seine Achillessehne ver­letzt, dann aber nicht richtig behandelt und erst Monate später im KSW auf­taucht. «Wenn die Wunde nicht mehr frisch ist, wird die Versorgung kompli­zierter.» Eine solche Verletzung schränkt die Lebensqualität des Patienten stark ein, Gehen ist kaum möglich. «Gerade bei schweren Fällen kann es auch schnell Komplikationen geben. Diese möglichst zu verhindern, reizt mich.»

Motivation dank Zusammenarbeit

Die Motivation für seine Arbeit zieht Martin Wiewiorski aber nicht nur aus den Herausforderungen. «Die Zusam­menarbeit mit Kollegen ist ein grosser Anreiz – sowohl beruflich wie auch per­sönlich.» Dank seiner Forschungstätigkeit am Universitätsspital Basel und in Harvard Boston hat er sich ein grosses Netzwerk aufgebaut, von dem nun auch das KSW profitieren kann. Jeweils am Montag bil­den sich die Ärzte während einer Stunde weiter. Dank Martin Wiewiorskis Netz­werk kann das Spital Referenten wie den bekannten Orthopäden Roland Jakob einladen. «Das bringt alle weiter», ist Martin Wiewiorski überzeugt. Nur, wer aktiv sei und an Kongressen teilnehme, kenne die neuesten Trends, Entwick­lungen und wissenschaftlichen Erkennt­nisse. «Wer nichts Neues lernt, wendet immer die gleichen Techniken an.»

Mit Universitäten und Fachhoch­schulen arbeitet Martin Wiewiorski an verschiedenen Projekten. Ein lokaler Partner ist die Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften. Mit ZHAW­ Experten in der Ganganalyse beschäftigt er sich zurzeit ebenfalls an einem Projekt. «Die Nähe der ZHAW ist ein absoluter Glücksfall, sie arbeiten auf höchstem internationalem Niveau.»

Doch nicht nur die Zusammenarbeit mit Forschungsstätten ist wichtig, auch der Austausch mit der Industrie gehört dazu. Einer der Prothesenhersteller hat seinen Sitz in Winterthur: die Firma Zimmer, ehemals Sulzer Medica. «Durch den Austausch können die Implantate verbessert werden. Die Hersteller ken­ nen unsere Probleme und wir ihre.» Eine Hüftprothese bleibt 15 bis 25 Jahre im Körper – gute Qualität ist essentiell.

Die Winterthurer schätzen ihr Spital, das ist Martin Wiewiorski seit seiner An­kunft bewusst geworden. «Viele möch­ten unbedingt hier behandelt und nicht in ein anderes Spital geschickt werden.»

KSW wird A1-Spital

Seit Dezember 2015 ist die Chirurgie im KSW in einem Trakt zusammengefasst. Zur selben Zeit wurde das KSW zu einer anerkannten Weiterbildungsstätte in der Orthopädie und der Unfallchirurgie. Damit wurde das KSW mit der Kategorie A1­ Spital ausgezeichnet, das ist die höchste Kategorie, zu der sonst fast nur die universitären orthopädischen Abtei­lungen gehören. Das ermöglicht dem KSW, Assistenzärzte auf höchstem Niveau zum Facharzt weiterzubilden. Das Einzige, was das KSW nicht anbietet, ist Tumororthopädie. «Dafür reichen die spezialisierten Zentren aus.»

Die wissenschaftliche Arbeit am KSW nimmt zu, erste Publikationen und Projekte laufen. «Gerade auch für die jüngeren Ärzte ist es wichtig, an das wissenschaftliche Arbeiten heran­geführt zu werden.» Man müsse lernen, Publikationen auf die Qualität hin zu beurteilen. Dafür ist aber Eigeninter­esse der Ärzte gefragt. «Wer Publikatio­nen veröffentlicht, verdient nicht mehr», sagt Martin Wiewiorski augenzwinkernd. «Dafür kann es einem in der Karriere weiterhelfen.»